Für Karl Reichmuth hat sich das Finanzsystem von der Wirtschaft entkoppelt. Nur Realwerte böten einen sicheren Hafen für den Vermögensaufbau. (Bild: Yvon Baumann)
Von Eflamm Mordrelle | Zuerst erschienen am 06.01.2022 in der »FINANZ und WIRTSCHAFT«
Karl Reichmuth, Gründer von RealUnit, will Sparer vor der Inflation und den Exzessen der Zentralbanken schützen.
Knapp 5% betrug die Inflation in der Eurozone im November. In der Schweiz stand sie mit 1,5% zwar deutlich tiefer, doch auch hier zeigt der Trend klar nach oben. Den ehemaligen Privatbankier und Gründer von RealUnit, Karl Reichmuth, erstaunt das wenig, «zu viel Geld im System führt immer zu Inflation», bislang zeige sich das aber erst in der Explosion der Vermögenspreise, sagt er im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft», und er malt ein düsteres Szenario: «Es wird zu sozialen Unruhen kommen, wenn es keine Instrumente wie RealUnit gibt, die echtes sparen ermöglichen.»
RealUnit ist eine Beteiligungsgesellschaft, die sich Ende November an der BX Swiss hat kotieren lassen. Das Vehikel will mindestens 60% seines Vermögens durch Realwerte wie Edelmetalle oder «produktive Kapitalgüter» decken (vgl. Grafik). «RealUnit soll den langfristigen Werterhalt sichern», sagt Daniel Stüssi, der operative Leiter der Gesellschaft. Der Wert von RealUnit soll mindestens gleich schnell wachsen wie die Schweizer Wirtschaft, also 2 bis 3% im Jahr. Auf diese Weise könne die Kaufkraft auch in einem inflationären Umfeld erhalten werden. «Krisenresistenz ist ebenso wichtig. Wir wollen einen stabilen Kurs. Ertragsmaximierung steht nicht im Vordergrund», sagt Stüssi.
Private Parallelwährung
Die Köpfe hinter RealUnit sehen diese also nicht nur als Anlageprodukt mit Kapitalschutz, sondern als eine Art private Parallelwährung. So kann RealUnit als Aktie oder Token auf die Aktien auf der Ethereum-Blockchain gehalten werden. Mindestens die Hälfte der Anlagen muss ausserhalb des Bankensystems verwahrt sein, derzeit sind es rund 57%. Edelmetalle und Banknoten werden physisch und versichert in diversen Bunkern aufbewahrt. Der Goldanteil etwa ist im Gotthardmassiv bei Amsteg eingelagert.
Doch wieso der Aufwand? Reichmuth könnte sich nach einer langen, erfolgreichen Bankkarriere bei CS, als Chef der Luzerner Kantonalbank und ab 1996 als Mitgründer der Privatbank Reichmuth zur Ruhe setzen. Er sieht RealUnit aber nicht bloss als Dienst am Kunden, sondern dem 81-Jährigen ist es ein gesellschaftliches Anliegen. «In meinen Jahrzehnten im Bankwesen sah ich die Nominalwertgläubiger auf Sparanlagen nach Inflation und Steuern meist auf der Verliererseite», sagt er.
In dem Sinne mussten Sparer also schon immer Negativzinsen erleiden. «Heute wird der Sparer ganz offiziell enteignet», sagt Reichmuth. «Mein Herz war immer auf der Seite der Sparer. Die Spartugend wird heute abgestraft. Sie sind in ihren nominellen Guthaben gefangen», sagt er. Für Kleinsparer taugt Geld für den Vermögensaufbau deshalb wenig. «Ich konnte mir mit 27 Jahren ein Haus bauen, das können Junge heute nicht mehr.»
Vermögende hingegen sind in Realwerten investiert, also in Aktien, Immobilien, Edelmetallen. «Gläubiger wurden in der Geschichte immer übervorteilt, sei es von Königen, der Kirche oder von den Notenbanken.» Und für den Erhalt echter Demokratien sei der «Erhalt eines begüterten Mittelstands» notwendig, schreibt Reichmuth in einem Sammelband, den er anlässlich der Kotierung von RealUnit herausgegeben hat.
Abgekoppeltes Finanzsystem
Besonders problematisch ist für Reichmuth die Rolle der Zentralbanken: «Das Finanzsystem hat sich von der Realwirtschaft entkoppelt. Notenbanken haben den Grundsatz aufgegeben, Anlagen und Verpflichtungen kongruent zu halten.» Notenbanken begannen, durch den Kauf von Anlagekapital wie Staatspapieren täglich fälliges Geld zu schöpfen, das habe ihre Bilanzen grenzenlos verlängert. Kapital sei Anlage, Geld ein Tauschmittel – die Zentralbanken hätten die Unterscheidung aufgelöst und damit Geld zur Wertaufbewahrung untauglich gemacht.
Für Reichmuth ebenso dysfunktional ist, dass Nationalbanken die Geldmengen ohne volkswirtschaftliche Vorleistung erhöhen und somit Fiat-Geld schöpfen, also Geld, das von realen Werten losgelöst sei. Er sieht kein Ende der Geldflut. «Sie werden aus der Spirale negativer Realzinsen in den nächsten Jahren kaum herauskommen, zu gross sind die Schulden in vielen westlichen Staaten. Wir befinden uns bereits in der Krise. Jetzt liegt es in der Eigenverantwortung der Anleger», sagt der Bankier.
Was ist der Ausweg? Reichmuth bemüht Karl Marx, der gesagt hat, «dass in der Zuspitzung der Verhältnisse die Lösung liegt». Es sei kein Zufall, dass es heute 9000 verschiedene Blockchain-Währungen gebe. «Ein System, wo Vielfalt herrscht, ist besser», glaubt Reichmuth. «Es gibt bereits Immobilien-Tokens, Gold-Coins und weitere gedeckte Vermögenswerte im dezentralen Finanzsystem, eben die breit diversifizierte RealUnit.»
Internationale Nachfrage
So setzt das Vehikel nicht nur auf Edelmetalle und Bargeld, sondern auch auf Aktien, die besonders krisenresistent sind. «Unternehmen brauchen eine solide Bilanz, müssen während einer Krise Geld verdienen können und eine langfristige Dividendenpolitik haben», sagt Daniel Stüssi. In diese Kategorie fallen Large Caps wie Novartis (NOVN 82.27 +0.66%), Roche und Intel aber auch Nebenwerte wie Vetropack Bucher oder die Wasserwerke Zug. Eine Dividende werde mit Blick auf den langfristigen Kapitalerhalt und den steuerfreien Kapitalgewinn aber nicht ausgezahlt.
Mit einem Volumen von knapp 20 Mio. Fr. ist RealUnit noch ausgesprochen klein, bislang hätten erst Reichmuth selbst sowie Freunde und Familie investiert. «Wir haben noch keinen Werbefranken ausgegeben, aber wir sehen eine grosse Nachfrage. Es wird dieses Jahr zu Kapitalerhöhungen kommen», sagt Stüssi. Man wolle hauptsächlich Privatpersonen ansprechen, die kritisch gegenüber dem aktuellen Finanzsystem eingestellt seien. Auch im Ausland wird Potenzial gesehen, weil die Schweiz international sehr glaubwürdig sei. «RealUnit ist ein Massenprodukt, das besonders im Ausland nachgefragt werden wird», ist Reichmuth überzeugt.